Massimo Bottura, italienischer Drei-Sterne-Koch und Zweiter auf der Liste der 50 besten Restaurants der Welt, verbrachte zwei Jahre in New York City und lernte dort auch seine Ehefrau kennen. Welchen Einfluss New York City auf sein Leben und seinen Kochstil hat, verriet Bottura im Gespräch mit New Food City bei der Preisverleihung des ECKART 2015.
New Food City: Massimo, Sie haben eine Weile in New York verbracht. Wie groß war der Einfluss dieser Stadt auf Ihre Arbeit?
Massimo Bottura: Die Erfahrungen, die ich in New York gemacht habe, haben mein ganzes Leben verändert. In der Stadt sind so viele verschiedene Kulturen auf kleinster Fläche komprimiert. All diese verschiedenen Menschen leben zusammen und entwickeln gemeinsam neue Ideen. Natürlich war der wichtigste Einfluss, dass ich meine Frau in New York kennengelernt habe. Wir haben uns im April 1993 getroffen, arbeiteten damals zusammen. Sie ist Kuratorin und hat mich in die zeitgenössische Kunst eingeführt – New York ist der Platz schlechthin dafür – und sie erklärte mir, dass es dabei nicht um das geht, was man sieht, sondern um die Bedeutung dahinter. Diese Idee stieß bei mir auf fruchtbaren Boden und ist der Grund dafür, warum ich so viel Leidenschaft für Kunst und letztlich auch für das Essen entwickelt habe. Die Wurzeln dafür liegen folglich in New York.
New Food City: Wie gestaltete sich Ihr Leben zur damaligen Zeit?
Massimo Bottura: Wir waren tief in der Kunstszene verwurzelt. Nicht nur, was die bildende Kunst anging, auch in Sachen Musik hatte New York ungemein viel zu bieten. Eine weitere Leidenschaft von mir. Damals besuchten wir beinahe jeden Abend ein Konzert, trafen anschließend die Künstler. Es war eine unglaubliche Zeit.
New Food City: Wollten Sie ähnlich kreativ oder innovativ sein, wie die Künstler, die Sie in New York kennenlernten?
Massimo Bottura: Nun, nachdem sich meine gesamte Perspektive durch meinen Aufenthalt in New York verschoben hatte, eröffnete ich 1995 meine „Osteria La Francescana“ in Modena. Sie wurde zu einer Art Ideen-Labor und ganz sicher spiegelt sich darin auch die Kreativität wider, zu der mich die Stadt inspiriert hat. Nach wie vor besuche ich New York City häufig, um frische Energie und Kreativität zu tanken. Oder auch, um etwas zurückzugeben. Zum Beispiel mein Gericht „Oops, I´ve dropped the lemon tart“, das den perfekten Aufbau der Unvollkommenheit darstellen soll. Es geht dabei um den Moment, in dem jemand versagt. Aus einem solchen Moment entsteht immer auch etwas Neues, etwas Positives. So wurde im Juni 2015 zum Beispiel eine Galerie mit einer Show eröffnet, die genau dieses Motto trug. Oops! I´ve dropped the lemon tart – mein Gericht, das aus einem Unfall heraus entstanden war, diente als Inspiration dafür.
So entstand das Gericht Oops! I´ve dropped the lemon tarte
New Food City: Sie lebten in den 1990er Jahren in New York. Wie schätzen Sie das kulinarische New York von heute ein?
Massimo Bottura: New York lebt nicht nur von seiner großen, zeitgenössischen Kochkunst und von den besten Produkten, die hier verwendet werden. Es geht um die Qualität der Ideen, die entwickelt werden. Durch den Kulturmix und das Wissen vieler entstehen dort immer wieder großartige Ideen.
New Food City: Die Auszeichnung der 50 besten Restaurants der Welt findet nach 14 Jahren in London nun erstmals in New York statt. Ist dies ein Fingerzeig, dass die Metropole oder die USA an sich der klassischen französischen Küche den Rang ablaufen?
Massimo Bottura: Ich denke schon, dass die amerikanische Küche sehr im Trend liegt. Das hat aber auch recht einfache Gründe. Hier hat man Geld, hier hat man die besten Schulen, hier kann man sich in jeder Hinsicht frei ausdrücken und man hat viele Einflüsse aus den unterschiedlichsten Kulturen. Aber natürlich wird Europa auch weiterhin sehr wichtig sein, schließlich hat man das alles auch hier. Und viele der Chefs in den USA haben zunächst auch Erfahrungen in Europa gesammelt, das darf man nicht vergessen.
New Food City: Denken Sie also, auch New York hat so gesehen auch noch etwas zu lernen?
Massimo Bottura: New York ist New York. Und manchmal ist New York auch ein wenig oberflächlich. Was ich damit meine: In New York bekommt man sicherlich den besten Parmegiano und auch den besten Grana Padano und die Menschen lieben das. Aber wie viele von ihnen kennen dort den Unterschied? Deshalb besinnen sich auch viele der internationalen Künstler, die in New York leben, bei ihrer Arbeit auf ihre Heimat. Dennoch, dieser Melting Pot übt eine ungeheure Faszination aus und mir hat er das Beste überhaupt beschert, meine Frau.
Zur Person: Massimo Bottura
Massimo Bottura wurde 2015 mit dem „ECKART für Innovation“ ausgezeichnet. Die Jury des Internationalen Eckart Witzigmann-Preises würdigte damit Botturas Kreativität. In der Begründung hieß es:
Bottura, 1962 in Modena geboren, eröffnet 1987 in seiner Geburtsstadt die „Trattoria del Campazzo“, mit der er auch die Aufmerksamkeit von Alain Ducasse auf sich zieht, bevor er 1992 nach New York geht. Dort lernt er seine spätere Ehefrau, die Kuratorin Lara Gilmore kennen. Sie gilt, neben der französischen Hochküche, als größter Einfluss für Botturas Kochkunst.
„Massimo Bottura erzählt Geschichten. Er sieht Bilder, hat einen bestimmten Geruch im Sinn, einen speziellen Geschmack oder er erinnert sich an eine Szene, während andere Spitzenköche eine Philosophie haben oder an ein System glauben“, schreibt die Jury des ECKART in ihrer Begründung. 1995 eröffnet Bottura in Modena die „Osteria La Francescana“, für die er 2002 den ersten, 2005 den zweiten Michelin-Stern erhält.
Tradition, moderne Kunst und höchste Qualität inspirieren ihn zu seinen kreativen und innovativen Gerichten. Die Jury: „Bottura pflegt eine zutiefst humanistische Küche auf höchstem Niveau. Sie kennt und schätzt die Tradition und verwandelt sie mit modernsten Methoden in ein poetisches Erlebnis, das alle Sinne berührt. Niemand verfolgt dieses Konzept so konsequent wie er.“ 2011 wird die Osteria Francescana mit dem dritten Michelin-Stern ausgezeichnet. Für eine Küche, die Bodenständigkeit und Avantgarde verbindet und mit Poesie, Kreativität und Witz die Küche der Emilia-Romagna auf allerhöchstem Niveau modernisiert.