Im zweiten Teil unseres Interviews mit Melissa Rodriguez geht es darum, wie sie ihr Team führt und um Fine Dining in New York. Als neue Küchenchefin in Mario Batalis Nobel-Italiener Del Posto im Meatpacking District und frühere Mitarbeiterin in Daniel Bouluds „Daniel“ weiß sie, warum New York eine so einmalige Restaurantszene hat.
New Food City: Melissa, was denken Sie ist es, was das Fine Dining in New York und die New Yorker Restaurantszene an sich so einmalig macht?
Melissa Rodriguez: New York ist ein unglaublich schwieriger Ort zum Leben. Es ist eine permanente Herausforderung, die Ansprüche sind riesig, und man geht ein sehr großes Risiko ein, wenn man hier ein Restaurant betreibt. Doch nicht nur das, der gesamte Lifestyle lässt niemanden zur Ruhe kommen und treibt jeden an. Das macht es so aufregend und New York zu einer der aufregendsten Städte der Welt, die jeder sehen will.
In diesem Wettkampf befinden Sie sich nun auf allerhöchstem Niveau. Seit kurzem leiten Sie mit dem „Del Posto“ eines der nur fünf Restaurants, die die New York Times mit vier Sternen bewertet. Wie bereiten Sie sich auf die nächste Bewertung vor?
Eine solche Kritik hat riesige Bedeutung für den Erfolg eines Restaurants und ich bin bisher niemals als Verantwortliche eines Restaurants von einem Kritiker besprochen worden. Ich würde also lügen, wenn ich sagen würde, dass ich mir darüber keine Gedanken mache. Ehrlich gesagt würde ich mir sogar Sorgen machen, wenn dem nicht so wäre. Der nächsten Kritik gegenüber nervös zu sein, kann realistisch betrachtet aber auch nicht schaden, schließlich erhöht es die Konzentration.
War es immer Ihr Ziel, ein Restaurant auf diesem Niveau zu leiten?
Ich war mir zu Beginn meiner Karriere nicht sicher, ob ich auf diesem hohen Niveau funktionieren würde. Als ich aus der Culinary School kam war ich sehr zurückhaltend und musste mich noch daran gewöhnen, zu kochen und überhaupt in einer Küche zu arbeiten. Das nötige Selbstvertrauen habe ich erst nach und nach gewonnen, nachdem ich zunächst in kleineren Restaurants und beim Catering gearbeitet habe. Das war sehr hilfreich für mich, da ich dort gelernt habe, mich immer neuen Situationen anzupassen. Jeder Tag war anders, immer neue Situationen, neue Herausforderungen. Ich wollte dann aber unbedingt wieder in einem Restaurant arbeiten, da mir die Energie eines Restaurants gefehlt hat. Und mir war klar geworden, dass ich gerne im Fine Dining-Bereich arbeiten würde. Ich habe immer gedacht, wenn ich weiter hart arbeite, werde ich schon irgendwann in einem tollen Restaurant landen. Aber wie gesagt, ich habe meine Karriere nie mit dem Anspruch begonnen, eines Tages Fine Dining-Restaurant zu leiten, freue mich aber, dass es nun geklappt hat.
Was mögen Sie so sehr am Fine Dining in New York?
Ich mag den Druck, den Anspruch und ich mag die Finesse, mit der gekocht wird. Ich mag den gesamten Ansatz, das feine Geschirr, die Gläser, ich mag den Pianospieler, all diese Sachen. Es macht Spaß und mir gefällt die Herausforderung, die all das mit sich bringt.
Was ist ihre Philosophie als Küchenchef und wie führen Sie ihr Team erfolgreich, um Ihre Idee vom Fine-Dining umzusetzen?
Ich versuche, mein Team wie meine Familie zu behandeln und ich möchte, dass meine Kollegen gerne zur Arbeit kommen. Mir ist schon vor langer Zeit schon bewusst geworden, dass ich viel mehr Zeit mit den Menschen verbringe, mit denen ich arbeite, als mit irgendjemand anderem im meinem Leben. Weder mit meinem Ehemann, noch mit meiner Mutter oder meinen Geschwistern. Ich habe außerdem gemerkt, dass nicht jeder gut damit zurechtkommt, angeschrien oder mit Dingen beworfen zu werden. Diese Art, eine Küche zu leiten ist ohnehin zum Glück am Verschwinden. Deshalb arbeite ich hart an meinen Arbeitsbeziehungen und im Team verbringen wir viel Zeit damit, über die Dinge zu sprechen, die im Restaurant stattfinden. Wir haben zum Beispiel jeden Tag ein Meeting, eine gut halbe Stunde lang, in dem wir darüber sprechen, was im Restaurant passiert. Wir besprechen Special Events, neue Gerichte an denen wir arbeiten, saisonale Produkte die wir benutzen wollen, einen Artikel den jemand gelesen hat oder unterhalten uns schlicht über Gott und die Welt. Wir versuchen einfach, uns wie Menschen zu behandeln, auch wenn wir in einem Umfeld arbeiten, in dem es sehr viel Stress gibt. Daher ist eine gute Organisation wichtig, aber es herrscht eben kein militärischer Stil. Wir sind gewissermaßen eine “freie Brigade” (lacht).
Wie wichtig ist denn ein gut funktionierendes Team?
Es ist vor allem wichtig, dass wir verstehen, dass wir nur gemeinsam erfolgreich sein können. Ich kann ein so großes Restaurant wie das „Del Posto“ nicht alleine leiten. Ich habe ein Team von Sous-Chefs, ein Team von tollen Köchen und es wäre nicht ausreichend, wenn ich nur erwarten würde, dass sie auf das reagieren, was ich ihnen sage. Die Leute wollen das Gefühl haben, dass sie Teil von etwas sind, sich einbringen können. Das motiviert doch ungemein. Mir persönlich geht es genauso, ich möchte mich wohlfühlen wenn ich durch die Tür trete und das Gefühl haben, an einem Ort zu sein, an dem wir gemeinsam lernen und uns verbessern können.
Wohin gehen Sie denn essen, wenn Sie frei haben? Auch zum Fine Dining?
Doch, sicher. Solche Restaurants besuche ich aber eher an meinen freien Tagen. Gerade dann, wenn neue Restaurants mit tollen Köchen aufmachen. Aber wenn ich hier abends raus gehe, ist es schon spät und es gibt nur wenige gute Restaurants wie das das Spotted Pig oder Jeffrey´s Groceries, die so spät noch aufhaben.
Lest hier den ersten Teil des Interviews mit Melissa Rodriguez und erfahrt mehr über das Del Posto
Hier findet ihr ein Rezept von Melissa Rodriguez: Warmer Fenchel und Radicchio mit Bagna Cauda (im Bild unten)